Sonja Speck, M.A.

Projekttitel: Ursprünge und Entwicklung altägyptischer Körperkonzepte in prä- und frühdynastischer anthropomorpher Plastik.

Betreuer: Prof. Dr. Tanja Pommerening, Prof. Dr. Alexander Pruß

Dissertationsvorhaben:

Die ägyptische Darstellungsweise des menschlichen Körpers wird als sehr distinkt und strikt in der Befolgung ihrer Prinzipien wahrgenommen. Für den heutigen Betrachter ist es leicht, diese als "ägyptisch" zu erkennen. Durch die Fülle an entsprechenden Funden und schriftlichen Überlieferungen aus der pharaonischen Zeit sind viele Aspekte der Bedeutung und Funktion der anthropomorphen Plastik gut erforscht. Wie und aus welchen Gründen sie ihre so speziellen Züge wie die typischen Proportionen und Ästhetik des Körpers, den Fokus auf bestimmte Körperteile wie das Auge und die geschlechtsspezifische Darstellung von Kleidung erhalten hat, ist allerdings kaum bekannt. Diese offenen Fragen möchte das Dissertationsprojekt durch einen Blick in die Entstehungszeit der Prinzipien der ägyptischen Kunst beantworten, denn das Verständnis ägyptischer Kunst führt über ihre Wurzeln. Daher soll die prä- und frühdynastische anthropomorphe Plastik (ca. Mitte / Ende 5. Jt. v. Chr. – 2700 v. Chr.) zu einem Korpus zusammengefasst und auf den Aspekt der Entwicklung der ägyptischen Körperkonzepte untersucht werden. Die Fragen, was den menschlichen Körper ausmacht, was die Fokuspunkte in seiner Darstellung sind, ob modifizierende Elemente wie Kleidung oder Schmuck dargestellt werden und in welchen Kontexten die Darstellungen vorkommen, sollen durch die Analyse der Stilentwicklung, des Materials und des archäologischen Kontexts beantwortet werden. Da die anthropomorphe Plastik eine unmittelbare Selbstaussage der Menschen über ihre Wahrnehmung und ihr Verständnis von sich selbst und ihrer Gemeinschaft ist, können wir davon ausgehen, dass verschiedene Aspekte der Vorstellungen über den menschlichen Körper bewusst und unbewusst in dessen Abbildung eingebracht wurden. Diese zugrundeliegenden Vorstellungen sollen so weit wie möglich unter Anwendung kognitionswissenschaftlicher und entwicklungspsychologischer Ansätze zurückgewonnen werden und in ihrer Eigenschaft als universale Prozesse des menschlichen Kunstschaffens oder inhärente, kulturspezifische Konzepte unterschieden werden. Die Veränderungen der menschlichen Proportionen in der dreidimensionalen Kunst sind ebenso ein wichtiger Aspekt der Entwicklung ägyptischer Körperkonzepte. Diese Veränderungen sind an den Plastiken messbar. Um die Proportionsentwicklung von statistischer Seite aufzuarbeiten, sollen 3D Modelle einer repräsentativen Gruppe der Plastiken vermessen werden. Die prä- und frühdynastische Zeit zählt zu den spannendsten Perioden der altägyptischen Geschichte. Es ist eine Phase des Experimentierens mit neuen Formen des Zusammenlebens, der Technik und Religion, in der mehrere Kulturgruppen zusammenwachsen, um die Fundamente der altägyptischen Kultur zu formen. Die prä- und frühdynastischen anthropomorphen Plastiken sind eindrucksvolle Zeugen dieser Dynamik.