Benny Waszk, M.A.

Projekttitel: Zugang zur gebauten Umwelt. Studien zur Raumwahrnehmung ausgewählter Bauwerke des Göbekli Tepe

Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Univ.-Prof. Dr. Alexander Pruß

Projekt:

Der im Südosten der Türkei gelegene Fundplatz Göbekli Tepe datiert an den Beginn des Präkeramischen Neolithikums (10./9. Jahrtausend v. Chr.). Die saisonalen Regenfälle in diesem Gebiet begünstigten die Entwicklung landwirtschaftlicher Aktivitäten. Deshalb wird diese – in der Forschung auch Obermesopotamien bezeichnete – Landschaft dem sogenannten fruchtbaren Halbmond zugeordnet und gilt als ein mögliches Zentrum des Neolithisierungsprozesses. Der Fundplatz selbst steht am Beginn dieser Entwicklung und fällt in den Übergang vom Jäger und Sammler zum sesshaften Ackerbauern und Viehzüchter. In den ältesten Schichten des Fundplatzes ließ sich subterrane Sonderarchitektur nachweisen, bei der T-förmige Kalksteinmonolithen im Kreis um ein weiteres zentrales Pfeilerpaar errichtet und mit Trockenmauerwerk verbunden wurden.

Die Deutung dieser mit Tierreliefs verzierten Stelen ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Sofern es anatomisch möglich ist, werden auf den Kalksteinpfeilern die Tiere mit männlichen Geschlechtsmerkmalen wiedergegeben. Bei der dargestellten Fauna handelt es sich oftmals um gefährliche oder kraftvolle Exemplare wie Keiler, Raubkatze oder Schlange. Die Pfeiler selbst werden – aufgrund der vereinzelten Darstellungen von Armen und Kleidungsbestandteilen – als anthropomorphe Standbilder angesprochen. Ein möglicher Interpretationsansatz deutet die Sondergebäude somit als in Stein wiedergegebene Versammlungen von Ahnen und ein durch Monumentalität zum Ausdruck gebrachtes Glaubenssystem.

In dem Promotionsprojekt werden die Anlagen – stichpunktartig und diachron – auf die Inszenierung der Mensch- und Tierdarstellungen hin untersucht. Hierbei bleibt zu berücksichtigen, dass es keine Interpretationshilfen, in Form von Schriftquellen oder mündlicher Tradierung gibt. Dieser Ausgangssituation folgend, wird der Ansatz des Ethnologen Hans Peter Hahn aufgegriffen, welcher zutreffend anmerkte: „Ein angemessener Zugang zur gebauten Umwelt […] muss von der Komplexität der Wahrnehmung ausgehen und die Interaktionen zwischen Individuen, Gruppen und der Architektur genauer beschreiben.“ (H.-P. Hahn: "Gibt es eine 'soziale Logik' des Raumes? in: P. Trebsche (Hrsg.): Der gebaute Raum: Bausteine einer Architektursoziologie vormoderner Gesellschaften, Waxmann Verlag, S. 120)

Somit ist es das Ziel, den Innenraum der Sondergebäude auf ihre Raumwahrnehmung hin zu untersuchen und das Bildprogramm entsprechend zu kontextualisieren. Hierfür werden 3D-photogrammetrische Modelle der Anlagen erstellt und die Bedingungen wie z.B. Lichtverhältnisse im Inneren simuliert. Dieses Vorgehen hebt sich von den bisher erfolgten Untersuchungen ab und soll helfen, die Bedeutung der präkeramischen Sondergebäude und die zugrunde liegenden kosmologischen und naturräumlichen Konzepte besser zu verstehen. Die Untersuchung beschränkt sich nicht nur auf den Innenbereich, sondern zieht die Zugangssituation mit in die Betrachtung ein. Dadurch wird die bisher noch nicht näher untersuchte Fundgattung der ‚Türlochsteine‘ aufgearbeitet. Diese Bauelemente waren teilweise den Eingängen vorgelagert und mit Tierdarstellungen verziert, erfüllten jedoch keine statische Funktion. Gleichzeitig finden sich typologisch abweichende Exemplare in der Verfüllung der Anlagen. Eine Untersuchung könnte somit diagnostisches Material für eine relativ-chronologische Einordnung der Baustrukturen sowie einen Hinweis auf die Beschaffenheit von möglichen Dachkonstruktionen liefern. Letzteres ist wiederum für die interne Analyse der Raumwahrnehmung von Bedeutung.