Marie-Charlotte von Lehsten, M.A.

Projekttitel: Die Rolle der Nacht in der archaischen und klassischen griechischen Literatur.

Betreuer: Prof. Dr. Jochen Althoff, Prof. Dr. Marion Gindhart

Dissertationsvorhaben:

Das Naturphänomen Nacht ist ein fundamentales Element des menschlichen Lebens und hat auf dieses maßgeblichen Einfluss. Dementsprechend zahlreich und vielfältig sind auch die Vorkommnisse von Nacht in der griechischen Literatur, sei es in Form knapper Erwähnungen, sei es als setting längerer Handlungspassagen. Das hier vorgestellte Dissertationsprojekt hat zum Ziel, diese Belegstellen für Nacht in der archaischen und klassischen Zeit der griechischen Kultur (etwa 8. bis 5. Jh. v. Chr.) erschöpfend zu untersuchen und dabei Nachtkonzepte in ihrer literarischen Ausgestaltung zu ergründen. Im Fokus werden poetische Texte von Homer bis einschließlich zur attischen Tragödie, sowie im Bereich der Prosa vor allem die Texte der klassischen Historiker stehen. Ausblicke auf die Rezeption behandelter Passagen, auf andere Genres und Kulturbereiche sollen zudem einen Eindruck von der Universalität der Fragestellung vermitteln. Eine besondere Herausforderung liegt dabei darin, dass die Nacht im behandelten Textkorpus in den wenigsten Fällen explizit charakterisiert oder in ihrer Bedeutung für die Menschen thematisiert wird. So gilt es, anhand der literarischen Darstellung des Phänomens Rückschlüsse auf die dahinter stehenden Vorstellungen vom Wesen der Nacht und auf die mit ihr verbundenen Konnotationen zu ziehen, zugleich aber auch der Funktion des Elements Nacht in den einzelnen Werken oder Gattungen selbst nachzuspüren.

Ein besonderes Augenmerk bei der Untersuchung wird auf der starken Polarisierung der Nachtkonzepte liegen: Diese beginnt mit der allgemeinen wertenden Wahrnehmung der Nacht als positiv oder negativ konnotierte Zeit (wobei letzteres überwiegt!), kann aber noch stärker generalisiert werden hin zu einer Spannung zwischen Strukturgebung und Strukturdurchbrechung: Der wiederkehrende Charakter der Nacht gibt dem menschlichen Leben Struktur und verleitet auch dazu, die Nachtabläufe selbst zu strukturieren; andererseits erscheint die Nacht als prädestinierte bzw. anfällige Zeit für transgressive Ereignisse und Strukturauflösung, etwa feindliche Überfälle und Trauersituationen.