Ringvorlesung: „Lebendig oder tot, gesund oder krank? Der menschliche Körper in vormodernen Kulturen“

Organisation: Univ.-Prof. Dr. Tanja Pommerening und Univ.-Prof. Dr. Jochen Althoff

Was unterscheidet einen lebendigen von einem toten Körper, was einen gesunden von einem kranken? Was zunächst banal klingt, ist alles andere als einfach zu bestimmen, weder heute, noch in vormodernen Kulturen. Welche Eigenschaften sorgen dafür, dass wir einen Körper als „krank“ oder „gesund“ wahrnehmen und anhand welcher Merkmale wird ein Körper als tot oder lebendig betrachtet?

Diese und zahllose andere Fragen bewegen die Menschheit seit Jahrtausenden. Es bildeten sich verschiedene Konzepte und Praktiken mit Bezug zum menschlichen Körper heraus, die anhand von Texten und archäologischen Zeugnissen rekonstruierbar sind.

Ziel der Ringvorlesung ist es, Konzepte vom menschlichen Körper mit Blick auf die oben genannten Fragestellungen zu fassen. Dabei werden Konzepte und Praktiken von ausgewählten vormodernen Kulturen des Mittelmeerraums (Mesopotamien, Ägypten, die griechisch-römische Antike, das Mittelalter in Ost- und Westeuropa) und Gesellschaften, die mit diesen nicht in Kontakt standen, gegenübergestellt.

Damit die Fragestellung sich nicht in allzu viele Facetten aufsplittert, soll untersucht werden, wie man den lebendigen, ordnungsgemäß funktionierenden Körper im Gegensatz zum kranken und toten Körper auffasste und ob überhaupt immer Dichotomien feststellbar sind. Hierfür sind überlieferte Texte und archäologische Zeugnisse aussagekräftig. Metaphern und Metonymien für den Zustand des Lebens und des Todes sowie Bezeichnungen für den menschlichen Körper oder Leichnam können Aufschluss über bestehende Konzepte geben. Hier kann auch die Frage erörtert werden, wie und woraus ein Körper entsteht und wie und ab wann er als lebendig gilt. Die Abgrenzung des lebenden vom toten sowie des gesunden vom kranken Körper lässt sich auch über einzelne Körperfunktionen erfassen. Was muss ein Körper leisten können, damit er als lebendig oder als gesund gilt? Aus religiösen Texten Ägyptens wird z.B. deutlich, dass das Zusammenfügen der einzelnen Körperglieder und das sog. Mundöffnungsritual elementare Bestandteile für ein Weiterleben im Jenseits sind. Damit wird das schwierige und paradoxe Problem eines „Weiterlebens“ eines eigentlich toten Körpers aufgeworfen, das in vielen Kulturen thematisiert wird. In Text und Bild belegte Dysfunktionalitäten (Verlust der Sinne, der Beweglichkeit, der Kraft) sollen beleuchtet und deren Beitrag zum Konzept eines lebendigen und gesunden oder toten bzw. kranken Körpers untersucht werden.

Idealerweise wird am Ende der Vorlesungsreihe besser erkennbar, welche spezifischen Vorstellungen und Konzepte einzelne Kulturen entwickelt haben und welche Elemente vielleicht universal verbreitet sind.

Ort der Veranstaltung: P11 (Philosophicum), Jakob-Welder-Weg 18

Programm:

Prof. Dr. Detlef Gronenborn (Mainz)
Zwischen Jericho und Carnac. Der menschliche Körper in den frühen Kulturen des Neolithikums
Donnerstag, 31. Oktober 2019, 16:15 – 17:45 Uhr

Prof. Dr. Paul B. Pettitt (Durham)
Bodies as Symbols. The long-term evolution of primate mortuary activity from chemistry to culture
Donnerstag, 07. November 2019, 16:15 – 17:45 Uhr

Dr. Ulrike Steinert (Mainz)
Der menschliche Körper im antiken Mesopotamien:
Im Spiegel textlicher Reflexionen über Gesundheit, Krankheit, Leben und Tod
Donnerstag, 14. November 2019, 16:15 – 17:45 Uhr

Prof. Dr. Tanja Pommerening (Mainz)
„Mögest du 110 Jahre auf der Erde vollenden, indem dein Körper stark ist“ –
Körperideale und -konzepte im Alten Ägypten
Donnerstag, 28. November 2019, 16:15 – 17:45 Uhr

Prof. Dr. Ulrich Volp (Mainz)
„Nach unserer Lehre wird allein die vernünftige Seele geehrt“.
Der Körper in der antiken christlichen Anthropologie
Donnerstag, 12. Dezember 2019, 16:15 – 17:45 Uhr

PD Dr. Annemarie Ambühl (Mainz)
Kämpfende und verwundete, sterbende und gefallene Körper:
Der Krieg als Prüfstein für Körperkonzepte in der griechischen und römischen Antike
Donnerstag, 19. Dezember 2019, 16:15 – 17:45 Uhr

Dr. Lennart Lehmhaus (Berlin)
Körperkonzepte in (spät)antiken jüdischen Traditionen
Donnerstag, 09. Januar 2020, 16:15 – 17:45 Uhr

Dr. Dr. Katharina Sabernig (Wien)
Gesundheit – Krankheit – Tod in der tibetischen Medizin
Donnerstag, 16. Januar 2020, 16:15 – 17:45 Uhr

Dr. Stephanie Mühlenfeld (Frankfurt)
„wellestv wol schire versuchen ob der siech sterbe oder genese?“ –
Mittelalterliche Konzepte von Krankheit und Heilung
Donnerstag, 23. Januar 2020, 16:15 – 17:45 Uhr

Prof. Dr. Paul U. Unschuld (Berlin)
Heilen ist Regieren. Der Organismus ist der Staat. Gesundheit ist Harmonie.
Die politische Dimension der Körpervorstellung in der frühen chinesischen Medizin
Donnerstag, 30. Januar 2020, 16:15 – 17:45 Uhr

Prof. Dr. Matthias Krings (Mainz)
Der Körper als Medium. Beispiele aus Afrika
Donnerstag, 06. Februar 2020, 16:15 – 17:45 Uhr