Projekttitel: Konzepte der "exotischen" Tierwelt im Mittelalter
Betreuerinnen: Prof. Dr. Sabine Obermaier, Prof. Dr. Tanja Pommerening
Dissertationsprojekt:
„Exotische“ Tiere lassen sich in der mittelalterlichen Literatur beispielsweise in fiktionalen Erzähltexten wie dem Alexanderroman, dem Herzog Ernst oder dem Wigalois finden. Daneben bieten aber auch spätmittelalterliche Reiseberichte von Pilger- oder Handelsreisenden Auskunft über diese Tiere. Die in diesen Texten dargestellte Beziehung zwischen Mensch und Natur kann als ein bezeichnender Bestandteil kultureller Selbstreflexion in Diskursen des Mittelalters angesehen werden. Dies bedeutet, wie fremd ein „exotisches“ Tier beschrieben wird und welche proprietates dabei besonders hervorgehoben werden, hängt ganz davon ab, welchen Diskursen die Darstellung unterliegt. Diese Darstellung wiederum kann zur Entstehung neuer Diskurse führen, was daran erkennbar wird, dass die in der hoch- und spätmittelalterlichen Literatur enthaltenen Beschreibungen und Bilder oftmals über einen langen Zeitraum hinweg – gattungsübergreifend – tradiert wurden und maßgeblich den Wissensstand prägten, den man in Europa von dem jeweiligen Tier hatte. „Exotische“ Tiere treten dabei nicht zufällig auf, sondern sind Bedeutungsträger, denen innerhalb des Textes eine bestimmte Funktion zukommt. Folgende Fragen standen im Fokus der Untersuchung: Lassen sich in der mittelalterlichen Literatur universelle Wahrnehmungs-, Verstehens- und Deutungskonzepte erkennen, die in allen Beschreibungen „exotischer“ Tiere zum Tragen kommen und die auf eine kultur- und epochenübergreifende Tradition zurückgehen? Oder auch solche, die spezifisch nur in einem ganz bestimmten mittelalterlichen Diskurs in Erscheinung treten? Lassen sich Verfahren aufweisen, nach denen Konstruktion und semantische Aufladung „exotischer“ Tiere stattfinden? Weiterhin wird zu untersuchen sein, ob die „Exotik“ eines Tieres innerhalb bestimmter Diskurse auch neutralisiert werden kann. Außerdem wurde überlegt, welche Funktionen und Bedeutungen dem jeweiligen Tier in der Kultur seines Heimatlandes zugedacht wurden und welche in dem mittelalterlichen Text zum Tragen kommen. Dazu wurden im Rahmen eines interdisziplinären Untersuchungsansatzes narrative, fiktionale Texte des 12. bis 14. Jahrhunderts, (pseudo-)historische Reiseberichte des 14. und 15. Jahrhunderts sowie bildhafte Darstellungen von „exotischen“ Tieren – wie etwa Holzschnitte, mappae mundi und auch materielle Hinterlassenschaften – einer vergleichenden Analyse unterzogen.
Das Dissertationsprojekt wurde im Juli 2017 abgeschlossen.
Die Arbeit wurde veröffentlicht als Mühlenfeld, S., Konzepte der ›exotischen‹ Tierwelt im Mittelalter Göttingen 2019.