Wald als Ort der Transformation

Wälder galten bereits im Altertum als Kontrast-Orte. Hier wurde der Unterschied zur warmen Helligkeit der Zivilisation in den Städten und auf den bewirtschafteten Feldern in der kalten Finsternis im Schatten der Bäume spürbar. Zu den Waldbewohnern gehörte nicht nur das Wild, wovon der Mensch sich ernährte. Dort lauerten auch andere Kreaturen – manche bewundert, andere gefürchtet. Der Wald war Schauplatz für außergewöhnlich mutige Menschen, die Ungeheuern entgegentraten und so zu Helden wurden, wie in der griechischen Sage vom kalydonischen Eber.

Als die Umgebung der Stadt Kalydon von einem monströsen Eber – als Strafe von der Göttin Artemis geschickt – verwüstet wurde, bat König Oineus um Hilfe. Zahlreiche junge Jäger kamen aus mehreren Regionen Griechenlands, um an der Eberjagd teilzunehmen, unter anderen die jungfräuliche Jägerin Atalante aus Böotien und Meleager, Sohn des Oineus. Im Wald begegneten sie dem Untier: Zunächst wurde es von einem Pfeil der Atalante getroffen, dann geblendet und schließlich von Meleager mit einem Lanzenstoß erlegt. Durch diese Tat wurden Meleager und Atalante zu Helden. Die Geschichte nimmt aber ein trauriges Ende, denn Meleager erschlug seine Verwandten, um Atalante zu schützen. Im Wald, einem Raum der Transformation, werden Menschen zu Helden, jedoch kann sich auch Gutes in Böses verwandeln.

Attisch-schwarzfigurige Trinkschale, ca. 560 v. Chr.
Darstellung einer Eberjagd, in der fünf Jäger, begleitet von ihren Jagdhunden, einen großen Eber einkreisen. Die Darstellung bezieht sich möglicherweise auf das mythologische Ereignis der kalydonischen Eberjagd: Hierbei versammelten sich griechische Helden, um einen riesigen Eber zu erlegen, der als Strafe der Artemis das Land von Kalydon verwüstete.